31. Oktober 2013

Ein Video!

 




Dieses Video zeigt einen Umzug in Mumbai. Der Anlass ist Dussehra: der Sieg des Gottes Rama über den Dämonen Ravana und damit den Sieg von Gut über Böse. Es gibt Live- Musik, Feuerwerk und Tanz - ein Spaß für Groß und Klein. Solche Umzüge haben wir insgesamt bestimmt 4 oder 5 in Mumbai gesehen. Später am Abend waren überall in der Stadt kleine Feuerwerke.

Von Mumbai nach Yercaud und zurück in die Realität


'Welches Datum ist heute?'

'Hmm, der 29.'

'Welcher Monat?'

'Oktober.'

'Was? Schon Oktober? Der 29. Oktober? Nur noch 4 Monate?'

Diesen Dialog habe ich gestern Abend auf einem Stein sitzend mit einem Kind aus dem children's home geführt. Erst war ich schockiert, dann aber wurde mir bewusst, dass es tatsächlich so ist: Ich bin bereits seit knapp 7 Monaten in Indien, nur noch 4 Monate verbleiben. Die Zeit rast rasanter als jemals zuvor.


'Life is short' neben einem Einhorn



Aber erst einmal zu Mumbai – es war bombastisch! Die 25 Stunden (oder weiß der Teufel wie viel) im Zug waren schneller vorüber, als wir im lonely planet über Mumbai nachlesen konnten – das liegt vielleicht auch daran, dass wir uns so köstlich über die 'chaiteacoffee'- Leute (ist wohl ein Insider- Witz) amüsiert haben. In Mumbai angekommen fanden wir eine relativ günstige und zentral gelegene Unterkunft (zumindest zentral für das Gebiet, das wir uns hauptsächlich ansehen wollten, denn eine wirklich zentrale Unterkunft im Stadtmonster Mumbai wäre zwecklos). Die ersten zwei Tage liefen wir übermäßig viel und erkundeten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Mumbais, wie Gateway of India, Taj Mahal Palace Hotel, High Court, Victoria Terminus und die University of Mumbai. Das sind – kurz zusammengefasst – alles Gebäude, die Mumbai auf den ersten Eindruck wie eine europäische Stadt erscheinen lassen. Riesige Steingebilde mit gotischen Fensterbögen, üppigen Kuppeldächern und unzähligen Verzierungen. An den restlichen Tagen nahmen wir uns weiter entfernt gelegene Ziele vor, wie Mahalaxmi Dhobi Ghat, Mahalaxmi Temple oder die Haji Ali Moschee. Das Mahalaxmi Dhobi Ghat ist ein riesengroßer Waschplatz mit über 1000 Waschstellen, an dem Tag für Tag ich weiß nicht wie viele Textilien von Privatpersonen aber auch Uniformen von großen Unternehmen, sowie Sachen aus dem Krankenhaus gewaschen werden. Unglaublich.

Nebenher haben wir uns in Mumbai auch westlichen Genüssen wie Kaffee und einer Karaoke- Bar hingegeben. Einen Tag haben wir auch darauf verwendet uns Dharavi, das angeblich größte Slum Asiens anzusehen. Alles, was ich dazu hier schreiben möchte ist, dass es einen auf den Boden der Tatsachen zurückholt, wahrscheinlich sogar in den Keller der Tatsachen. All die schick gekleideten Leute, die glänzend polierten Luxusautos und die viel zu teuren Hotels sind eben doch nur eine Seite Mumbais. Mumbai war auf jeden Fall die Woche wert!


Gateway of India


Taj Mahal Palace Hotel - leider nicht unser Budget




Markt in einer Unterführun - hier gibt es alles!


Victoria Station


Mahalaxmi Dhobi Ghat


Haji Ali Moschee - mitten im Meer



Zurück aus Mumbai ging es dann gleich weiter nach Yercaud. Das ist ein kleines Örtchen in den Ostghats in 1500 m Höhe, in dem FSL unsere midterm evaluation veranstaltet hat. Diese war – wie wir uns schon denken konnten – sehr mit Programm gefüllt, sodass wir kaum Zeit für uns selbst hatten. Wir haben quasi von früh bis spät gearbeitet (genug der Ironie). Trotzdem war es schön, mal wieder alle von unserer Gruppe wieder zu treffen. In Yercaud war es übrigens so kalt, dass wir tagsüber Strickjacken (teils auch Socken) tragen und nachts in Wolldecken schlafen mussten.

Dann ging es zurück in die Realität, nach Manampathy Kandigai. Hier bin ich übergangsweise im children's home untergebracht. Demnächst fange ich dann (hoffentlich) an in der St. Joseph's High School zu arbeiten und bekomme (hoffentlich) eine neue Unterkunft im Dorf, da in Raj's Haus kein Platz mehr für mich ist.


'Tata' (Opa) mit den Kindern und einer Herde Ziegen im Hintergrund





Und da der heutige Post noch nicht lang genug ist, findet sich hier auch noch ein kleiner Platz für eine Buchempfehlung. Ja, richtig: eine Buchempfehlung! Wer sich gern ein reales Bild von den Zuständen im heutigen Indien machen möchte, der sollte sich das Buch 'The White Tiger' – 'Der weiße Tiger' von Aravind Adiga kaufen. Bin gerade selbst dabei es zu lesen und kann es zu 100 % weiterempfehlen. Vieles von dem, was ich darin gelesen habe, kam mir unglaublich vertraut vor. Viel Spaß!

9. Oktober 2013

Abschied unter Tränen – Zurück zu den Anfängen



Nachdem Rubini, meine Koordinatorin, mich in der 2. Septemberwoche anrief und mir mitteilte, dass sie mich treffen wollte, konnte ich den Termin auf Anfang Oktober verzögern. Von hier an lief die Zeit jedoch schneller als gewünscht. In der Schule hab ich das nicht groß erzählt, nur der 9. Klasse hab ich vorher gesagt, dass ich Anfang Oktober nach Tamil Nadu zurück müsse. Ich habe ihnen angemerkt, dass sie traurig darüber waren (nicht zuletzt dadurch, dass Venus angefangen hat zu weinen) und ich stand den Tränen schon beunruhigend nahe. Daraufhin beschloss ich, es nicht weiter zu erzählen, weil ich es einfach nicht ertragen könnte, wenn mich die Kleinen mit ihren großen, dunkelbraunen Kulleraugen ansehen und anfangen zu weinen (hat nicht viel gebracht, es hat sich schneller herumgesprochen, als ich es selbst hätte verbreiten können).
Am 2. Oktober war es dann soweit. Vormittag war ich in der Schule, es war ein ganz normaler Tag. In der Mittagspause fuhren wir wie gewohnt nach Hause zum Essen. Ich packte meinen ganzen Krempel zusammen, um 2 fuhren wir mit dem Auto los. Auf meinen Wunsch hielten wir nochmal kurz an der Schule. Sie wussten, was es bedeutete, dass wir mit dem Auto kamen. Ich gab ihnen noch ein paar der Fotos, die wir die 3 Monate über gemacht haben und die ich zuvor ausdrucken lassen habe. Dazu habe ich für die 9. Klasse noch kleine Freundschaftsbänderchen mitgebracht, die wir uns gegenseitig umgebunden haben. Ich versprach ihnen auch, spätestens (wenn es sich ergibt auch eher) im Januar nochmal zu kommen, das habe ich mir ganz fest vorgenommen.
Dann setzte ich meine Sonnenbrille auf und ging. Als ich zurück sah, winkte ich ihnen ein letztes Mal zu. Ich sah noch Ayamma (die gute Seele an der Schule, die allen hinterher putzt, den Kleinen beim Essen hilft und in der Pause Süßigkeiten verkauft), sie winkte mir zu und gab mir durch ihre Gestik zu verstehen, dass jetzt alle weinen. Es war ein schwerer Abschied, überhaupt ein schwerer Tag.


Gruppenbild


ein paar aus der 9. mit Geschwistern


meine 4. Klasse


Wieder einmal ging es auf in ein neues Abenteuer, welches eigentlich gar nicht so neu war. Zurück zu den Anfängen, wie es so schön heißt. Bei Raj hatte ich mich schon angemeldet. Am 11. werde ich mich jedoch in den wohlverdienten Urlaub begeben. Wir werden mit dem Zug für ein paar Tage nach Mumbai fahren und mal schauen, was dort so Sache ist. Für Interessierte: die Zugfahrt von Chennai nach Mumbai dauert etwa 25 Stunden – Mumbai zählt übrigens noch zu Südindien!

6. Oktober 2013

Jay Samaykyandhra!



Überraschenderweise gibt es heute auch mal die neusten politische Informationen aus Indien. Der Staat Andhra Pradesh wurde aufgespalten und der neue Staat Telangana entstand! Die Telangana- Leute streiken schon seit über 10- 20 Jahren für einen eigenen Staat. Nach der Aussage meinen Gastvaters (den ich penibel zum Thema ausgefragt habe) hat das folgenden Zusammenhang: das Gebiet Telangana hat grundsätzlich wenig Wasser zur Verfügung (keine Flüsse, Ferne zum Meer), dafür aber viele Mineralvorkommen. Diese ermöglichen wiederum eine besser ausgebildete Industrie und daher viele Arbeitsstellen. Die Bildung jedoch ist in Telangana (im Vergleich zum küstennahen Gebiet von Andhra Pradesh) eher niedrig. Bis vor der Spaltung kamen also viele gebildete Leute aus Andhra Pradesh in eben diese Unternehmen nach Telangana und wurden aufgrund der besseren Bildung bevorzugt. Das fanden die Telangana- Leute nicht so toll behaupteten daraufhin: ‘Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg!‘. Seitdem streiken sie für einen eigenen Staat: Telangana. Die Idee dahinter ist folgende: wären es zwei separate Staaten, würde der Staat Telangana Arbeiter aus seinem eigenen Staat bevorzugen (was ich nicht ganz nachvollziehen kann, da es mir als Unternehmer egal wäre, woher meine Arbeiter kommen und eine Sprachbarriere gibt es auch nicht). Mit der Spaltung von Andhra Pradesh in Andhra Pradesh und Telangana wurden den Streiks auf dem Telangana- Gebiet ein Ende gesetzt, doch ist das noch nicht das Ende der Geschichte. Da das Andhra- Gebiet eher rohstoffarm, dafür aber wasserreich ist, arbeiten die meisten Leute auf dem Land und bewirtschaften Felder oder haben Vieh. Eben diese ganzen Arbeitsstellen aus Telangana fallen für die Leute aus Andhra jetzt quasi weg, dafür wird nun in Andhra gestreikt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die Hauptstadt Hyderabad mit der Spaltung an Telangana geht, Andhra steht im Moment ohne Hauptstadt da.

Dazu kommen noch folgende Informationen (ist mir noch nicht ganz klar): irgendwelche korrupten Politiker haben die Situation ausgenutzt und kurzerhand den Staat geteilt und der beliebte Sohn Jagan eines ehemaligen Ministerpräsidenten sitzt (mittlerweile saß) im Gefängnis (es wurde dazu eindrucksvoll im TV übertragen, wie sich sein Auto stundenlang (!) durch wahre Menschenmassen im Schritttempo gekämpft hat).

Das Ganze ist mittlerweile schon ein paar Wochen her. Ich bin nicht so begeistert von Jay Samaykyandhra (das ist der ‘Schlachtuf‘, samaykyandhra bedeutet vereintes Andhra), weil es  sich vor allem auf die Schule negativ auswirkt: regelmäßig finden Streiks statt und der Schulbetrieb wird eingestellt. Die Termine für die Prüfungen stehen allerdings fest, die Stunden zum Vorbereiten Fehlen massenhaft. Und dazu kommt noch, dass ich vor Langeweile fast umkomme.