10. Februar 2014

Die letzten Tage, die ersten Abschiede und das immer näher rückende Ende



Es ist Februar, bereits Mitte des Monats. Das beunruhigt mich. Bald heißt es: Mach’s gut Indien, wir werden uns wiedersehen!
Bereits jetzt sind alle mir verbleibenden Tage komplett durchgeplant: gesamt noch 18 Tage, davon 3 bei Ravi und in der Schule, 9 zusammen mit meinen Eltern auf einer kleinen Rundreise, 3 Tage zur freien Verfügung und dann nochmal 3 Tage zur final evaluation in Bangalore. Am 1. März um 3 Uhr morgens geht es zurück nach Deutschland. Ich fühle mich angespannt. Die ganzen Freundschaften, die geknüpft wurden, die neue Kultur, neue Gewohnheiten, das Essen, die Arbeit in der Schule, die neue Familie: all das verschwindet vom einen auf den anderen Tag im Nichts. Geradeso als wäre es nie wirklich da gewesen. Wie aus einem Traum aufwachend, findet man sich plötzlich in Deutschland wieder, in der Heimat. In einem Land, in dem mich alle verstehen, ich genau weiß, wie ich mich verhalten kann, darf und soll und wo die Menschen einfach anders eingestellt sind. Da stellt sich doch die Frage: was bleibt?
Einiges. Tausende von Fotos, die mit wundervollen Erinnerungen verknüpft sind. Neue Freundschaften, von denen sich vielleicht (hoffentlich) einige über die Zeit halten werden. Erfahrungen, die ich anderswo (und vor allem in Deutschland) so nie hätte machen können. Neues Wissen und Fähigkeiten, die ich mir in Indien aneignen konnte. Der Wunsch, nach Indien zurück zu kommen. Und ein Versprechen. ‘Ich komme nach wenigstens 3, aber maximal 5 Jahren wieder. Dann machen wir eine get together party‘, das sage ich allen. Aber wie es dann aussieht, weiß ja keiner. Nur die Hoffnung bleibt. Aber die hat mich bisher in Indien weit gebracht.
‘Du musst doch nicht gehen, bleib einfach in Indien‘, ‘Wenn du gehst, weinen wir alle‘. Solche Sätze machen es mir nicht unbedingt einfacher mich zu verabschieden. Aber immerhin geben sie mir das Gefühl, dass meine Zeit hier in der Schule einen Sinn hatte. Die kleinen Scheißer werden mir fehlen.
Mach’s gut Indien, wir werden uns wiedersehen – nach einer unbestimmten Zeit.

9. Februar 2014

Eine Schauergeschichte


Da die meisten meiner Posts eher meine positiven Erlebnisse widerspiegeln, habe ich mir gedacht: Heute erzähle ich euch mal von einer der bisher krassesten Begebenheit, die mir persönlich in Indien widerfahren ist.
Es war ein ganz normaler Tag in der Schule. Jedoch viel mir auf, dass ein Mädchen der 9. Klasse – nennen wir sie Sravani* – bereits seit einigen Tagen nicht in der Schule war. Ich fragte ihre Mitschüler, was da los sei; sie sagten sie sei auf Hochzeit. Das nahm ich einfach so hin, da es öfter vorkam, dass Schüler fehlten, weil sie der Hochzeit eines Verwandten 8. Grades beiwohnten. Eines Nachmittags hielt ein Motorrad vor der Schule: der Fahrer ein junger Typ, vielleicht Anfang bis Mitte 20; hinten drauf hat er ein junges Mädchen. Einen Augenblick später fiel mir auf, dass es Sravani war. Allerdings in einem ungewohnten Anblick: ein rotes Kumkum- Mal im Haaransatz, ein hübsches Punjabi- Dress (statt der Schuluniform) und eine teuer anmutende Goldkette um den Hals. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Natürlich kam sie tagelang nicht zur Schule, weil sie auf einer Hochzeit war. Es war ihre Eigene.
Nun muss man sich diese Begebenheit einmal kurz auf der Zunge zergehen lassen: Sravani ist ein junges Mädchen im zarten Alter von 15 Jahren, dass bis vor kurzem die 9. Klasse einer Privatschule besucht hat. Und ihre Eltern hielten es für richtig, sie einfach mal zu verheiraten mit irgendwem, den sie wahrscheinlich auf ihrer eigenen Hochzeit das erste Mal überhaupt gesehen hat. Sie ist ab jetzt für den Rest ihres Lebens Hausfrau und Kinderversorgerin. Die Schule besucht sie natürlich nicht mehr.
Und das ist nicht etwa ein Schauermärchen, das Eltern ihren unartigen Töchtern erzählen, nein: das ist das Indien des 21. Jahrhunderts!

*Name natürlich von mir geändert